Hamburger Schlaf-Verein: Versetzung gefährdet

Nur wenige Sekunden nach dem Schlusspfiff des Zweitliga-Duells der HSV-Fußballer mit Holstein Kiel ertönte am Montagabend das Lied...

"Ich hab nen harten Tag gehabt und musste noch mal raus...", heißt es zu Beginn der Hommage an die Hansestadt. Viele der teils auf den Rasen gesunkenen HSV-Akteure dürften in diesen Momenten exakt diesen Wunsch gehabt haben: Bloß weg hier nach einem bitteren Arbeitstag und irgendwo abschalten. Denn durch das späte Gegentor zum 3:3-Endstand verpassten die Hausherren den Sprung auf Platz zwei.

Und in Anbetracht von nun bereits drei Gegentoren in der Nachspielzeit in den vergangenen fünf Partien, die alle zu Punktverlusten führten, stellt sich beinahe automatisch die Frage: "Ist der HSV nicht ausgeschlafen genug für den Aufstieg?"

Wiederkehrend Nachlässigkeiten in Schlussphase
Ein Zufall kann es jedenfalls kaum mehr sein, dass die Hamburger immer wieder kurz vor Ultimo vermeidbare Gegentore kassieren. Beim 2:2 in Fürth schlummerten die Norddeutschen nach einem Eckstoß im Kollektiv vor sich hin. In Stuttgart (2:3) ließ sich das Team von Coach Dieter Hecking Sekunden vor dem Abpfiff auskontern. Und nun gegen Kiel vermochte es der HSV in der dritten Minute der Nachspielzeit nicht, einen eigentlich harmlosen Angriff des Gegners zu unterbinden. Die eingewechselten Gideon Jung und Xavier Amaechi schauten mehr oder minder teilnahmslos zu, wie Stefan Thesker eine Flanke von Emmanuel Iyoha annahm und zu Jae-sung Lee durchsteckte, der den herausstürzenden Keeper Julian Pollersbeck überwand. Dass Verteidiger Timo Letschert vor dem Pass von Thesker einen Moment zu spät nach vorne ging und damit das Abseits aufhob - es passte ins Gesamtbild einer in dieser Situation miserabel verteidigenden Hamburger Mannschaft.

HSV ein Fall für den Psychologen?
"Wir hätten es nur über die Zeit bringen müssen", trauerte Hecking dem vergebenen Sieg nach und forderte von seinem Team: "Wir müssen an uns arbeiten und weiter fokussiert bleiben."

Die Zeit, aus den (immer selben) Fehlern zu lernen, wird allerdings knapp. Vielleicht hilft ja ein "Seelenklempner", um den wiederkehrenden Sekundenschlaf in der Schlussphase abstellen zu können. Hecking jedenfalls ist ratlos, warum seine Profis Vorsprünge regelmäßig verspielen. Eine Antwort darauf zu finden, ob dies ein Kopfproblem sei, "wäre wahrscheinlich etwas für den Psychologen", sagte der Trainer. Ilias Moschos, Mentaltrainer und Mentalcoach aus Krefeld, versuchte sich genau darin im Gespräch mit NDR 2. "Es ist immer ein Zusammenspiel zwischen Körper, Psyche und der mentalen Ebene. Wenn wir uns die Ergebnisse des HSV in den letzten Spielen angucken, in denen in der Nachspielzeit ein Tor fällt, was dem HSV den Sieg kostet, dann muss man sich auch ernsthaft mit dem mentalen Bereich auseinandersetzen. Denn das kann schon auf eine Konzentrationsschwäche hindeuten", sagte Moschos. Sein Rat: "Die Vorbereitung ist immer das A und O."

Schwache Zweikampfwerte – viele Gegentore
Nur noch vier Partien stehen bis zum Saisonende aus. Der Trend nach dem Re-Start in die Zweite Liga mit lediglich einem Sieg aus fünf Spielen spricht eher gegen einen direkten HSV-Aufstieg. Dass die Hamburger dabei satte zehn Gegentore kassierten, ist ebenfalls bedenklich. Aber zumindest erklärbar. So gewann die Hecking-Equipe gegen Holstein lediglich 44 Prozent aller Zweikämpfe - Saisonminuswert für die Hanseaten. Und nun wartet am Freitag auswärts in Dynamo Dresden (18.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) ein Gegner auf sie, der ziemlich sicher versuchen wird, über den "Innenfight" zum Erfolg zu kommen. Die Begegnung beim Tabellenschlusslicht wird fraglos eine Reifeprüfung für den fußballerisch in dieser Serie zumeist durchaus überzeugenden HSV.

Besteht der sechsmalige deutsche Meister sie, könnte dies für den Saisonendspurt von großer Bedeutung sein. Genehmigen sich die Hecking-Kicker auch in "Elbflorenz" ein Nickerchen zur Unzeit, könnte es am Ende der Spielzeit für sie vielleicht wirklich ein böses Erwachen geben: den Nichtaufstieg.

von Hanno Bode, NDR.de
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