In Zeiten von Trucker Babes ist es völlig natürlich, dass sich auch Mädchen und Frauen auf der Matte treffen, mit der Absicht, sich gegenseitig aufs Kreuz zu legen. Seit 1982 ist das Frauenringen offiziell anerkannt.
Aline Focken aus Krefeld wurde seit ihrer frühsten Kindheit mit dem Ringersport konfrontiert. Opa, Vater und Bruder fanden ihre Leidenschaft im Ringen. Der Heimatverein KSV Germania Krefeld bot Aline 1995 im Alter von vier Jahren die Möglichkeit, sich in dieser Sportart zu versuchen. Mittlerweile hat Aline durch ihre Erfolge dafür gesorgt, dass das Frauenringen an Popularität gewonnen hat. Zahlreiche Meisterschaften, Turniere und Medaillen konnte sie, im wahrsten Sinne des Wortes, erringen.
"Aline, deine familiäre Vorprägung in Bezug auf das Ringen ist bekannt und doch muss das im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass du in die Fußstapfen deines Opas, Vaters und Bruders trittst. Was war für dich final ausschlaggebend, dich für das Ringen als deine Sportart zu entscheiden?"
"Ich wollte immer das machen, was mein Bruder macht und da das nicht unbedingt die erste Wahl meiner Mutter und der restlichen Familie war, wollte ich es nur noch mehr. Ich dachte schon als Kind, dass ich super stark und mutig wäre. Dazu kam dann noch die Tatsache, dass ich super viel Energie hatte und sowieso kaum ruhig sitzen konnte. Da war ich auf der Ringermatte und beim Austoben genau richtig."
"Im Sommer lockte eventuell das Freibad oder die Eisdiele, manchmal auch die Couch zum Fläzen - um nur einige „Alternativen“ zum Training zu nennen. Was hat dich angetrieben und dabei unterstützt in der Anstrengung dran zu bleiben und motiviert zu bleiben? Wie sahen deine Entbehrungen aus, um dorthin zu kommen, wo du gerade bist?"
"Das kam alles eher nach und nach. Erst wollte ich nur Spaß haben und mich auspowern. Irgendwann kämpft man aber Turniere und beim Ringen 1 gegen 1 ist Verlieren noch einmal härter als beispielsweise im Team. Es zeigte sich der Wunsch zu gewinnen, dann auch Medaillen zu sammeln, irgendwann dann den Adler auf dem Trikot zu tragen und an den Olympischen Spielen teilzunehmen. So kam das Schritt für Schritt, dass ich immer mehr wollte.
Die Entbehrungen waren besonders in der Pubertät sehr hoch und schmerzlich. Ich hatte immer viele Freunde und eine große Clique und doch hatten nicht alle für mein Fernbleiben von Geburtstagen und Feiern oder dem Verweigern von Kuchen oder beispielsweise Alkohol Verständnis. Zum Glück hatte ich aber auch viele gute Freundinnen im Sport, die ihre Ziele und Träume und damit auch Ihren Lebensstil mit mir geteilt haben."
"Im Sportlerleben kann es schon mal vorkommen, dass aus den verschiedensten Gründen ein Plan nicht aufgeht. Wie gehst du damit um? Wie schaut deine Bewältigungsstrategie aus, wenn es mal nicht optimal läuft? Welche Reaktion zeigst du, wenn der Kampf in eine ungewollte Richtung geht?"
"Im Kampf versuche ich mir möglichst gar nichts anmerken zu lassen und auch die Emotionen niemals zu hoch brodeln zu lassen, also immer Profi zu sein. Sonst verliere ich meinen Fokus und stärke meinen Gegner. Im Falle einer schmerzlichen Niederlage aber verschwinde ich meist schnell von der Matte, aus der Halle und lasse dort erst mal alles raus und meinen Emotionen freien Lauf. Dort beruhige ich mich am besten und suche dann bald das Gespräch zu meinen Trainern und Teamkolleginnen. Meistens bin ich danach schon wieder auf Kurs und versuche alles ganz objektiv zu sehen, zu bewerten und aus den gemachten Fehlern zu lernen. Wenn auch das nicht hilft, lese ich viel, meditiere und gehe raus in die Natur. Das geht IMMER!"
"Trotz der Tatsache, dass sehr oft darüber gesprochen wird, wie wichtig der Aspekt der mentalen Vorbereitung für Sportler ist, kommt die Arbeit mit einem Sportmentalcoach – wenn überhaupt – erst dann in Frage, wenn etwas schiefläuft. Das liegt einerseits an einer unzureichenden, fehlenden Informationskultur seitens des Sports, andererseits sind viele sportpsychologische Ansätze zu theoretisch und zu wissenschaftlich. Konntest du bereits auf diesem Gebiet Erfahrungen sammeln? Welche Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit mit einem Mentalcoach sind für dich unabdingbar, damit du einen Mehrwert erfährst? (Mentaltraining bei Verletzungen) Wird Stress realitätsnah trainiert?"
"Ja, ich habe einige Erfahrungen gesammelt, wobei meine Psyche und meine Mentalität schon immer zu meinen Stärken gezählt haben. Für mich war wichtig, dass sich mein Mentaltrainer und mein Sportpsychologe gut auf mich einstellen konnten. Ich war auch vor der Zusammenarbeit mit ihnen erfolgreich und wollte deshalb nicht ein gut funktionierendes System vollständig umwerfen, sondern einfach nur noch besser und stabiler werden. Das hat auch soweit gut funktioniert, aber es gibt immer noch Luft nach oben."
"Es kommt irgendwann der Moment, an dem feststeht, dass sich die professionelle Ausübung einer Sportart dem Ende neigt. Davon bist du noch hoffentlich weit entfernt. Gibt es schon einen endgültigen Plan, wie lange du noch aktiv auf dem hohen Niveau ringen möchtest?"
"Tatsächlich bin davon nicht mehr so weit entfernt. Für mich sollen die Olympischen Spiele 2020 in Tokio einen großen und tollen Abschluss meiner Karriere darstellen. Ich habe nahezu alles erreicht, was ich erreichen wollte. Die lang ersehnte olympische Medaille fehlt aber noch."
"Der Komponist Gustav Mahler stellte vor mehr als 100 Jahren fest: "Tradition ist die Bewahrung des Feuers – und nicht die Anbetung der Asche." Das Ringen ist eine der ältesten olympischen Sportarten und doch gab es ernsthafte Überlegungen diese Sportart durch - unter anderem - Baseball zu ersetzen. Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass durch diese "Idee" der "olympische Gedanke" oder was davon noch überlebt hat, mit Füßen getreten wird. Glücklicherweise gab es doch genug Unterstützer, die den Ausschluss abwenden konnten. Wie habt ihr diese Diskussion erlebt und was hat das mit euch gemacht?"
"Mir ist diese Diskussion sehr nah gegangen. 2012 habe ich die Quali für Olympia ganz knapp verpasst und wusste, 2016 soll es klappen. 2013 aber kam plötzlich dieser wahnsinnige Eklat, der zwischenzeitlich alles, für das man jahrelang gearbeitet hat, auf Eis gelegt hat. Wir haben uns aber damals nicht beirren lassen, haben optimistisch weiter trainiert und für den Traum gearbeitet und uns bei verschiedenen nationalen und internationalen Aktionen zur Vermarktung unserer Sportart und zur öffentlichen Verurteilung dieser Entscheidung engagiert. Das Ganze wuchs Dank vieler Prominenter und Einflussnehmer, wie beispielsweise Barack Obama, Wladimir Putin und viele mehr, zu einem großen internationalen Aufschrei der Empörung, der diese Entscheidung zumindest zeitweise revidieren konnte. Trotzdem ist Ringen nicht aus dem Schneider und tatsächlich offiziell nur bis 2024 im olympischen Programm. Danach muss wieder neu entschieden werden, ob wir medientauglich und modern genug geworden sind. Sehr schade!"
"Wir leben in einer Zeit der "Selbstoptimierung" und "Perfektion". Gefühlt steht jeden Tag jemand auf einer Bühne, der über Performance oder Persönlichkeitsentwicklung die tollsten Motivationsparolen hinausposaunt. Das Ganze auch noch in einem Rekordtempo. Nach nur einem Seminar kann man höher weiter, schneller, besser, etc…
Du gehörst zu den Menschen, die von sich behaupten können, dass sie wissen, wie man Herausforderungen annimmt und seine Ziele erreicht. Wenn jemand einen ähnlichen Weg wie du einschlagen möchte, was würdest du dieser Person mitgeben? Welche Nachricht oder Botschaft möchtest du dahingehend an die heutige Jugend übermitteln?"
"Ich bin kein Fan von Floskeln wie "Glaubt an euch und ihr könnt alles erreichen." Dafür habe ich zu viele unglaublich fleißige & tolle Menschen auf meinem Weg getroffen, die sehr viel für ihre Ziele getan, sie aber doch nicht alle erreicht haben und das aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Ich würde schon sagen, dass man groß träumen sollte, aber auch unbedingt jeden einzelnen Tag und all die guten Dinge, wie auch die Rückschläge, die einem geschehen zu schätzen wissen sollte. Gesund zu sein, in Freiheit und Wohlstand zu leben und seine Ziele verfolgen zu können, sind große Geschenke und geben einem die nötige Ruhe, Geduld und das Durchhaltevermögen, die man als Leistungssportler dringend braucht. Und letztendlich darf man nicht vergessen, dass man sich diesen Weg, den damit verbunden Leistungsdruck und auch die Entbehrungen selbst ausgesucht hat. ☺ Nichts Großes im Leben bekommt man einfach so!"
"Du darfst für einen Tag über die Welt herrschen und regieren und darfst drei Dinge ändern. Welche drei Dinge sind das?"
"Ich würde die Ressourcen Geld, Wasser und Nahrung zu allererst fair auf der Welt verteilen, sodass sich niemand mehr um so ganz banale Dinge und damit um sein Leben sorgen muss. Ich würde alle Atomkraftwerke schließen und sehr harte Strafen für die Abholzung von (Regen)- Wäldern und das Wildern einführen und eine Steuer auf Zucker, Fleisch, tierische Produkte und Plastikprodukte einführen. Das sind jetzt mehr als 3 Dinge, aber es gibt leider so viel zu tun…"
"Dein Bonus: Welche Frage möchtest du gerne mir stellen?"
"Mit wem hast du besonders gerne zusammengearbeitet, oder arbeitest du aktuell noch zusammen? Hast du Erfahrungen mit Leistungssportlern?"
"Der Sympathiefaktor ist für mich enorm wichtig und die Chemie muss stimmen, sonst ist eine vertrauensvolle Arbeit unmöglich. Ich arbeite im Einzelsetting, ebenso mit Gruppen und beides macht mir enorm viel Spaß. Auf meiner Homepage gibt es auch den Menüpunkt Referenzen. Diesen kannst du dir gerne anschauen und Rückmeldungen meiner Klienten nachlesen. Erfahrungen mit Leistungssportlern bringe ich seit den letzten 10 Jahren mit. Boxer, Käfigkämpfer, Motorradrennfahrer und überwiegend Fußballer gehören zu meinem Klientel. Beide Geschlechter sind vertreten und ich liebe es meine "Jungs und Mädels" wachsen zu sehen."
Aline Focken hat mir während ihrer Vorbereitung im Trainingslager als Gesprächspartnerin zur Verfügung gestanden. Ich spreche Aline dafür meinen großen Dank aus und ich wertschätze sehr, dass sie sich dafür Zeit genommen hat. Für die Olympischen Spiele in Tokio drücke ich ihr, stellvertretend für die ganze Republik, alle Daumen und ich wünsche ihr und ihrem Team den bestmöglichen Erfolg!